Welcher Typ Poetry Slammer:in bist du?

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Auf Poetry Slams tummeln sich eine ganze Reihe verschiedenster Stil-Typen: ernst, lustig, lyrisch, prosaisch, grundsätzlich ist das alles erlaubt. Und irgendwann finden alle Auftretenden ihre Nische, die Spezialisierung, die ihre Kunst ausmacht. Ja, natürlich kann man aus einer Schublade auch ausbrechen. Und nein, natürlich ist das überwiegend grober Unfug.

Aber wenn man auf dem einen oder anderen Poetry Slam war, findet man ein Muster: Diese 14 Slam-Typen bevölkern die meisten Bühnen. Welcher Typ bist du? Welche Gefahren stehen dir bevor? Und was ist deine Zukunft? Das Horoskop der Poetry Slam-Typen!

Typ 1: Rap & Flow

©Völk/Habert: SLAM!-Kartenspiel

Hat krasse Reime im Gepäck, selbst im Freestyle, und war schon auf diversen Rap-Battles.

Alles unter 4-fach-Reimen ist unter deiner Würde? Ein guter Slam-Text sollte deiner Meinung nach mindestens eine 8-zeilige Reimkette haben?

Du bist Rap-Poet:in.

Gefahren: Der Reim ist nicht alles! Siehst du diese unsinnigen Vergleiche? Und fehlt dir da nicht ein bisschen der rote Faden?

Warum slammst du? Du warst nicht gemein genug für ein echtes Battle. Die Kuschel-Atmosphäre bei Slams ist mehr dein Ding.

Deine Zukunft: Demnächst bringst du ein paar Tracks raus. Auf Slams verteilst du Sticker mit QR Code zu deinem Spotify, und entdeckst irgendwann die Rap-Slam Szene in Wien.

Typ 2: Uiii! Ouuh…

©Völk/Habert: SLAM!-Kartenspiel

Die Hälfte der Jury feiert’s, die andere Hälfte straft es ab. Rechnerisch durchschnittlich, künstlerisch spannend!

Du schaffst es zwar nie ins Finale, aber ständig sprechen dich einzelne Leute an wie inspirierend du warst? Und stößt gerne Leute vor den Kopf?

Du bist Spalter:in.

Gefahren: Deine Provokationen enden irgendwann in einer Schlägerei! Auch wenn man danach deine tolle rechte Faust lobt.

Warum slammst du? Du findest ein bisschen Perspektiven-Wechsel tut der Bühne gut, nachdem du von den immergleichen Messages gelangweilt warst.

Deine Zukunft: Entweder du wirst schrullig und eigen, der Satz “versteht ja eh keiner” wird zu deinem Standardspruch, oder du gibst das Slammen auf, weil du enttäuscht bist, nie im Finale zu stehen.

Typ 3: kennste?!

©Völk/Habert: SLAM!-Kartenspiel

Geht uns bald an die Stand-Up Szene verloren. Aber eigentlich ist das Ziel natürlich Fernsehen.

Du lebst für die Punchline? Die Leute liegen schon am Boden wenn du nur “Kennste, kennste” sagst? Zeilen ohne Joke werden radikal gestrichen?

Du bist Comedian/ienne.

Gefahren: Wenn du einfach nur Witze aneinanderreihst, langweilt sich das Bildungsbürgertum. Du brauchst zumindest eine Pseudo-Message!

Warum slammst du? Stand-Up-Shows haben zu wenig Publikum oder Geld. Du hoffst dass dich bald ein Recruiter vom TV entdeckt.

Deine Zukunft: Du hast zwei Wege vor dir: Deine Texte werden so gut, und du gehst so viel auf Tour, dass du es tatsächlich irgendwann ins Fernsehen schaffst. Dann kannst du endlich deine Slam-Vergangenheit leugnen! Oder du machst halt doch Stand-Up.

Typ 4: philosophie

©Völk/Habert: SLAM!-Kartenspiel

Wirklich wichtige Erkenntnisse in den Texten. Leider versteht das Publikum das nicht.

Du “philosophierst” gern, und fragst dich, warum dieses oder jenes den Menschen “noch nie aufgefallen” ist?

Du bist Philosoph:in.

Gefahren: Ohne Recherche kommst du ganz schnell in die Schwurbel-Ecke. Oder du stirbst an einer Globuli-Vergiftung.

Warum slammst du? Du hattest eine Erleuchtung! Es wäre doch Verschwendung, wenn du das nicht mit dem Publikum teilst.

Deine Zukunft: Nach ein paar Versuchen merkst du, dass das Publikum gar nicht verstehen will, was die Welt zusammenhält. Sondern einfach nur einen guten Abend haben will. Pah! Desillusioniert druckst du jetzt Kiez-Zeitungen mit eigenen Gedichten und verteilst sie in der U-Bahn.

Typ 5: Bäm!

©Völk/Habert: SLAM!-Kartenspiel

Beherrscht die Bühne von Kopf bis Fuß. Und diese Stimme! Und alles auswendig!

Alles unter 6 Quadratmetern Bühne ist zu wenig? Du hättest gerne noch mehr Hände, für bessere Gestik? Nach jedem Auftritt schwitzt du wie beim Sex?

Du bist Performer:in.

Gefahren: Wenn du so weitermachst, kriegst du irgendwann einen Herzinfarkt auf der Bühne!

Warum slammst du? Weil joggen langweilig ist.

Deine Zukunft: Irgendwer nominiert dich (du weißt selbst nicht warum) für die Meisterschaft. Die riesengroße Bühne passt perfekt zu dir, und du erkämpfst dir einen Titel. Wahrscheinlich weiß am nächsten Tag aber keiner mehr, worum es in deinem Text ging.

Typ 6: Super Lol

©Völk/Habert: SLAM!-Kartenspiel

Einsilbige Reime, jede Menge Quatsch und komische Betonungen – aber sowas von funny!

Unreine Reime sind dir völlig Recht, solange die Punchline stimmt? Dir ist kein Wortwitz zu doof? Du hast komische Haare?

Du bist Ortwin.

Gefahren: Du sprichst so schnell, irgendwann verschluckst du vielleicht eine ganze Zeile und erstickst daran!

Warum slammst du? Keine Ahnung, hast du nie so wirklich drüber nachgedacht. Hat sich so ergeben.

Deine Zukunft: Dein spezielles Talent passt wirklich nur zum Poetry Slam. Du wirst der Szene noch sehr lange erhalten bleiben. Irgendwann fängst du mit einer Slam-Tour quer durch Deutschland an und lebst ab da im ICE. Das ist okay für dich, denn du liebst Züge.

Typ 7: Impro

©Völk/Habert: SLAM!-Kartenspiel

Schreibt die Texte auf dem Weg zum Slam. Im Finale wird auch mal gerne ganz improvisiert und gefreestyled.

Du hast noch nie einen Text zweimal performt? Geschweige denn einen Text überarbeitet? Das Zeitlimit ist nur eine Empfehlung für dich?

Du bist Improvisateur:in.

Gefahren: Regelbruch Zeitlimit: Irgendwann bist du außerhalb Berlins, und da nimmt man das Limit tatsächlich ernst. Dein Text wird abgebrochen, und du siehst aus wie ein absoluter Newby.

Warum slammst du? Deine Freunde haben nicht so viel Zeit wie du erzählen möchtest. Und Impro-Theater ist dir zu kindisch.

Deine Zukunft: Unbeabsichtigt schreibst du ein spontanes Meisterwerk. Die Menge tobt, du wirst auf jede Bühne des Landes gebucht, aber du kannst den Erfolg mit keinem anderen Text reproduzieren. Auf großen Shows wiederholst du deshalb immer die gleichen zwei Best-Of-Texte, und traust dich nur beim Eagel Slam noch was Neues zu machen.

Typ 8: Aufgeweckt

©Völk/Habert: SLAM!-Kartenspiel

Hat nicht nur eine Agenda, sondern diverse. Poetry ist gleich Politik, und ohne Message geht’s nicht.

Reim, Humor oder Metapher sind dir eigentlich egal, solange die Botschaft catcht? Aussage-freie Texte haben auf Slams nichts zu suchen?

Du bist Botschafter:in.

Gefahren: Du achtest nur noch auf die Botschaft, und immer weniger auf den Stil. Irgendwann trägst du nur noch Stichpunkte vor. Aus Protest wählt das Publikum danach die AfD.

Warum slammst du? Um die Welt zu verbessern natürlich! Jeder andere Grund ist für dich nicht ernstzunehmen.

Deine Zukunft: Du nutzt Slam als Sprungbrett in die Politik. Im Vergleich zu anderen Politiker:innen sind deine Reden so aufregend, dass man dir besonderen Stil nachsagt, auch wenn alle Slammer:innen immer die Augen verdreht haben. Deine übernächste Legislaturperiode endet als Direktkandidat:in für Potsdam-Mittelmark.

Typ 9: deep

©Völk/Habert: SLAM!-Kartenspiel

Hat ein Händchen für Metaphern. Tieftraurige Lyrik tropft aus dem Notizbuch, alles ist düster.

Deine Metaphern sind stark verschachtelt? Und wer deine Lyrik wirklich versteht, ist genauso ein Pessimist wie du?

Du bist Melancholiker:in

Gefahren: Weil du (klugerweise) mehrere Therapien gemacht und öffentlich darüber geredet hast, nimmt dich keine Berufsunfähigkeitsversicherung mehr auf.

Warum slammst du? Weil deine Therapeutin dir gesagt hat, du solltest es mal mit Slam versuchen. Weil du perfektionistisch bist, arbeitest du so lange an einem Text, bis er nicht mehr in’s Tagebuch passt.

Deine Zukunft: Du wirst nie aufhören zu schreiben. Wenn es eines Tages keine Poetry Slams mehr gibt, wirst du auf VR-Metaverse-Cyber-Bühnen performen, auch wenn dein Publikum zur Hälfte aus KI-Bots besteht.

Typ 10: Meine WG

©Völk/Habert: SLAM!-Kartenspiel

Alle Texte spielen in der Studi-WG, verschimmelte Kühlschränke, haha lustig.

Wenn du irgendwann nicht mehr in einer WG lebst, erfindest du dir einfach einen Mitbewohner? Ohne Dialoge weißt du nicht, wie man Prosa schreibt?

Du bist WG-Prosaist:in.

Gefahren: Du wirst erwachsen, aber Jokes über’s Office sind out. Du verlierst dich in einer fiktiven Studi-Welt, und bist irgendwann cringe.

Warum slammst du? Weil das die einzige Weise ist, wie du dich weiterhin mit jungen hippen Menschen umgeben kannst.

Deine Zukunft: Mit Mitte 40 erfindest du dich plötzlich neu. Neue Garderobe, neue Frisur, neuer Text-Stil. Ein paar Leute sind enttäuscht, weil sie sich so an dich gewöhnt hatten, aber andere bestärken dich in deiner neuen Bühnenperson. Nur dein Unique Selling Point und Wiedererkennungsmerkmal “Mitbewohner” fehlt dir manchmal.

Typ 11: Storytelling

©Völk/Habert: SLAM!-Kartenspiel

Hat dank perfekter Beobachtungsgabe immer was über das Leben zu erzählen. Natürlich in Prosa.

Du findest, “das Leben schreibt die besten Geschichten”? Und liebst skurrile Charaktere und nettes Storytelling?

Du bist Kolumnist:in.

Gefahren: Keine. Du hast keine Feinde, keine Stolpersteine, alle finden das, was du machst, absolut ok. Also nicht krass, aber voll ok.

Warum slammst du? Eigentlich würdest du gerne einen Roman schreiben. Aber da fehlt dir das Durchhaltevermögen für. Und Kurzgeschichten liest ja niemand.

Deine Zukunft: Endlich hast du dein Ziel erreicht: Eine Kolumne in der Zeitung! Ab jetzt kannst du jeden Monat beschreiben, was dir vorm Fenster langläuft, und das auch noch bezahlt! Zumindest so lange, bis ChatGPT deinen Job übernimmt. Toll!

Typ 12: Regelbruch!

©Völk/Habert: SLAM!-Kartenspiel

Möchte gern das Format sprengen, wann immer möglich. Elfchen, Mitmach-Texte, Dada… Hauptsache anders.

Du hast schon zweimal Requisiten benutzt, ohne disqualifiziert zu werden? Bevor du dich fragst, worüber du schreiben willst, fragst du dich, wie?

Du bist Avantgardist:in.

Gefahren: Eine deiner Erfindungen endet versehentlich darin, dass der Moderator stirbt. Pass auf, dass man dich nicht erwischt, sonst kannst du nur noch beim Prison Slam von Jessy James LaFleur auftreten.

Warum slammst du? Weil jedes andere Kleinkunstformat dich schon rausgeworfen hat.

Deine Zukunft: Das kann wirklich niemand sagen. Immer, wenn du auf dem Weg zum Erfolg bist, wird es dir zu langweilig und du wechselst Stil, Methode oder Disziplin.

Typ 13: Stil-ikone

©Völk/Habert: SLAM!-Kartenspiel

Hat noch nie etwas präsentiert, das unausgegoren wäre, ob Prosa oder Lyrik. Sitzt jeden Tag 4 Stunden am Schreibtisch.

Auch bescheuerte Auftragstexte verdienen deine Aufmerksamkeit? Du feilst jede Zeile glatt, und streust dann noch Salz drauf, damit niemand ausrutscht?

Du bist Stil-Ikone.

Gefahren: Bei einer tagelangen Textarbeit vergisst du zu Essen oder brichst wegen akutem Schlafmangel auf der Bühne zusammen.

Warum slammst du? Weil Texte perfekt sein müssen, perfekt! Du kannst es nicht fassen mit welchem Schund manche Leute auftreten. Das geht doch nicht! Du musst der Poesie gerecht werden!

Deine Zukunft: Weil du zu verbissen bist, gewinnst du selten. Das wurmt dich, auch wenn man dich auf die größten Bühnen einlädt. Irgendwann trittst du nur noch bei Slams auf, wo man dir ein Veto gegenüber anderen Slammer:innen einräumt, die du für unwürdig hältst.

Typ 14: Wunderkind

©Völk/Habert: SLAM!-Kartenspiel

Kleine Tendenz zum Erpresser-Text, aber in dem Alter verzeiht man ja alles.

Du guckst jeden Tag Youtube-Videos von Slam-Stars, um ihren Stil zu imitieren? Schreibst nur in Ich-Persektive? Du bist super aufgeregt, weil dein Vorbild heute auftritt?

Du bist Wunderkind.

Gefahren: Aus Stil-abkupfern wird Textklau. Deine Ikonen blicken enttäuscht auf dich hinab. Oder noch schlimmer: ignorieren dich.

Warum slammst du? Du möchtest unbedingt sein wie Jan-Finn-Hendrik oder Lisa-Lena-Marie! So berühmt! Du hast sogar schonmal einen Workshop mitgemacht!

Deine Zukunft: Du hast Großes vor! Irgendwann wirst du ein:e bekannte:r Slammer:in sein! Okay, dazwischen wirst du noch viele schlechte Texte schreiben, bei Slams rausfliegen, enttäuscht nach Hause gehen und Absagen auf überambitionierte Tour-Anfragen bekommen. Aber lass dich nicht unterkriegen!

Und, Welcher Typ bist du?

An dieser Stelle möchten wir auf die völlig zugespitzten Klischees in diesem Blog hinweisen. Wahrscheinlich bist du eine Mischung aus diesen Typen – und das ist auch gut so. Denn, ohne Klamauk, natürlich wird deine Kunst am Besten, wenn du mehrere dieser Eigenschaften in dir zu vereinen lernst. Und viele Poetry Slammer und Slammerinnen schaffen das auch!

Und falls du denkst: Nur 14 Typen? Nie im Leben, es gibt doch noch viel mehr Ausprägungen! Dann hast du natürlich Recht. Aber niemand hätte einen so langen Blogbeitrag gelesen. Und außerdem wollten wir dich natürlich ein bisschen neugierig machen auf unser SLAM! Das Kartenspiel. Du hast es schon geahnt: Da kommen die Designs für die Spielkarten in diesem Artikel her. Und… da gibt es noch viel mehr Typen! Es ist wie ein Autoquartett, nur mit Autoren statt Autos, und Humor statt Hubraum.