Wie veröffentliche ich mein Slambuch?

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Zuerst die letzte Frage:
Nein.

Wenn du nicht zu einer ganz kleinen Anzahl sehr erfolgreicher Poet*innen gehörst, wirst du vermutlich nie so viel Geld mit einem Slam Buch verdienen, wie du an Arbeitszeit hereingesteckt hast – es sei denn, es ist eine lieblose Zusammenwürfelung unlektorierter Texte, die du bereits seit Jahren über Slambühnen trägst. Gründe, ein Buch herauszubringen, gibt es natürlich trotzdem: Weil es ein schönes Gefühl ist, das eigene Buch in der Hand zu halten, weil es ein kleiner Baustein im gemischten Einkommen eines freiberuflichen Künstlertums ist. Und weil es toll ist, dem Publikum auch über den Abend hinaus etwas mitzugeben. Aber vom Buchverkauf leben die allerwenigsten Menschen im allgemeinen, und bei Slampoet*innen ist das nicht so anders.

Konkreter: So verdienst du mit einem (Slam)-Buch

Aber machen wir die Sache mal konkreter. Wir haben Volker Surmann, Chef des Satyr-Verlages (der als einer der “slam-nahen” Verlage in Frage kommt, um ein Buch mit Slamtexten zu publizieren) mal nach Zahlen gefragt:

“Seriöse Verlage bieten 8-10 % (je nach Ausstattung des Buches) Autorenhonorar. Große Verlage zahlen darauf manchmal auch Vorschüsse, aber bitte keine falschen Hoffnungen: Kein Slam-Verlag ist groß. Aber Achtung: Diese 8-10 % werden üblicherweise vom Nettoladenpreis gerechnet. Es gibt Verlage, die zahlen 10 % vom Verlagsincome, also dem Geld, was nach Abzug aller Zwischenhändlermargen beim Verlag ankommt. So zu rechnen ist eher unüblich. Man sollte dabei wissen, das rund 50 % des Buchpreises bei Buchhändlern, Amazon, Zwischenlagern usw. versickern. Und 10% von 50% sind halt nur karge 5% Honorar. Üblich sind übrigens, wenn man eigene Bücher einkauft, Autorenrabatte von um die 40 Prozent.”

Hier wird auch deutlich, warum Slampoet*innen so eifrig am Büchertisch stehen: Wenn dein Buch direkt bei dir selbst nach der Show verkauft wird, kannst du oft gut die Hälfte des Verkaufspreises behalten (Achtung: Buchpreisbindung, du darfst es nicht für einen anderen Preis verkaufen als der Buchhändler!). Wenn es zum Beispiel bei Amazon verkauft wird, kannst du oft schon froh sein, wenn noch ein Euro dabei für dich rausspringt. Wenn du als Leser*in also deine Künster*innen unterstützen willst, kauf direkt bei ihnen.

Deshalb kann es durchaus sein, dass der Selbstverlag für dich die bessere Variante ist – wenn das Buch eh nur nach deinen Shows verkauft wird, profitierst du ja auch nicht vom Verlagsvertrieb. Tatsächlich empfiehlt auch Volker Surmann:

„Ich rate allen Poet*innen, die ein Buch eigentlich nur für die eigenen Auftritte haben wollen, es lieber selbst zu machen. Internetdruckereien gibt es zu Hauf, die Gewinnmarge beim Selbstverkauf ist eh die beste, irgendjemanden, der/die was was mit Grafik macht, kennt man immer … Macht es selbst.”

…das kann er als Verlagschef sagen, ohne sich ernsthaft um zukünftige Autoren zu bringen! Jeder Verlag wird derzeit nur so überschüttet von Autorenzuschriften. Deshalb, falls du es mit einem Verlag versuchst, sei nicht enttäuscht, wenn du abgelehnt wirst. Das ist leider ziemlich normal: es gibt nur eine Handvoll Slam-Verlage in Deutschland, aber tausende von Poet*innen. So viel kann kein Verlag produzieren. Was immer du jedoch tust, lass die Finger von Druckkostenzuschussverlagen! Ein Verlag, der das Geld von seinen Autoren nimmt, hat keinerlei Anreiz mehr, das Buch selbst zu verkaufen. Machen sie dementsprechen auch nie. Bevor du das tust, wirklich: das kannst du selber besser.

In einem Buch steckt viel Arbeit

Trotzdem heißt das natürlich nicht, dass die Arbeit des Verlags umsonst ist. Sie lektorieren und korrigieren, sie beauftragen Grafiker fürs Cover und geben dir guten Rat, ob dieser Titel oder jener Text wirklich so gut ist wie du denkst, sie kümmern sich um den Druck und tragen das Risiko der Auflage (bei Slamverlagen sind 300-1000 Exemplare üblich), und sie helfen dir bei der Vermarktung. Richtig gelesen: helfen. Denn falls du dachtest, der Verlag macht sämtliche Werbung für dich und dein Slam Buch, dann kommt hier die nächste Desillusionierung:

“Gegenwärtig erscheinen im Bereich Belletristik ca. 100.000 neue deutschsprachige Titel pro Jahr. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass auch das eigene Buch floppt”,

sagt Thomas Manegold vom Periplaneta-Verlag (der sowohl Slam-Literatur in der “Edition Mundart” als auch “normale” Belletristik publiziert). Verlage brauchen auch deswegen einen signifikanten Anteil des Verkaufspreises, weil sie mit den wenigen erfolgreichen Titeln die zahllosen Flops querfinanzieren müssen – das ist übrigens auch bei den “großen” Verlagen nicht anders. Davon sollte man sich nicht entmutigen lassen. Man sollte nur wissen, dass es nicht unbedingt mit einem schlechten Inhalt und einer schlechten Verlagsarbeit zu tun hat, wenn das Buch nicht in jeder Bahnhofsbuchhandlung steht.

“Man muss sich deshalb auch selbst um eine dauerhafte Öffentlichkeitspräsenz kümmern und live auftreten. Das Liveerlebnis wird in absehbarer Zeit das einzige sein, was von Deiner künstlerischen Arbeit nicht kostenlos verfügbar sein wird”,

ergänzt Thomas Manegold. Da spricht er uns Slammer*innen natürlich aus der Seele, denn das haben wir ja eh vor. Zur Öffentlicheitspräsenz gehört aber auch Social Media, eine Website und so weiter. Bei all diesen Sachen hilft dir ein guter Verlag, so gut er kann. Aber Auftreten und Posten musst du schon noch selber.

Du willst trotzdem gerne bei einem Verlag veröffentlichen?

…dann ist die erste Frage, ob der Verlag auch dich veröffentlichen will. Denn, wie gesagt, du bist natürlich nicht der/die einzige. Um den Verlag von dir zu überzeugen, solltest du also wissen, was dich – oder vielmehr: dein Buch – ausmacht. Was macht es einzigartig? Volker Surmann von Satyr rät daher:

“Macht eure Bücher nicht zu früh. Macht sie nicht, wenn ihr gerade so genug Texte habt, sondern, wenn ihr so viel geschrieben habt, dass ihr die besten Texte auswählen könnt. Sucht dann nach einem gemeinsamen Leitmotiv. Sucht nach dem, was euer Buch unverwechselbar macht. Dann besteht vielleicht die Chance, einen Verlag zu finden.”

Das machst du, indem du sie anschreibst, mitsamt einem ca. 3-seitigen Exposé und circa 20 Seiten Textprobe. Wobei das höchstens ein Richtwert ist, denn jeder Verlag hat da seine eigenen Kriterien. Natürlich wirst du gleich mehrere Verlage auf einmal anschreiben (das ist wie bei der Wohnungssuche in Berlin), aber tu wenigstens so, als ob es dir wichtig ist, speziell bei diesem Verlag zu landen (wie bei der Wohnungssuche in Berlin). Da sollte ein Blick auf die Verlagswebsite und die Info, was deren Philosophie und Genres sind, mindestens drin sein.

“Auch wenn man es als Autor*in vielleicht mit jedem machen würde, so sollte man zumindest den Eindruck erwecken, sich individuell für diesen einen Verlag entschieden zu haben. Also Verlage einzeln anschreiben, persönlich anreden – und VORHER deren Bewerbungsmodalitäten lesen – und sie einhalten”,

fasst Thomas Manegold von Periplaneta zusammen.

Und welchen Verlag schreibst du jetzt an?

Vielleicht kennst du ja inzwischen Slammer*innen, die dir von ihren Erfahrungen mit Verlagen berichten können. Bitte sie nicht darum, “dich beim Verlag zu empfehlen”, das bringt diese meist in eine unschöne Situation, denn so richtig können sie meist eh nichts machen, wenn ihnen nicht selbst der Verlag gehört 🙂 Aber ein paar Tipps, wie die Gespräche mit Verlag X oder Y waren, helfen sicher. Wenn du Belletristik veröffentlichen willst, kommen natürlich prinzipiell alle Verlage in Frage, die in deinem Genre tätig sind (spar dir die anderen, das macht nur dir und denen mehr Arbeit). Wenn du eine Slamtext-Sammlung vorhast, ist das Feld schon etwas kleiner – Gedichte und Kurzgeschichten verkaufen sich in Deutschland allgemein eher schlecht, weshalb die meisten “großen” Verlage die Finger davon lassen. Interessanterweise kann die Bilanz für Slammer*innen aber tatsächlich so aussehen, dass sich ihre Lyrik besser verkauft als man erwarten würde – eben weil man vorher live daraus vorgelesen hat.

Inzwischen gibt es deshalb eine Reihe von Verlagen, die das Slampublikum als Zielgruppe ins Auge gefasst haben, die oft auch selbst von (ehemaligen) Slammer*innen gegründet wurden. Hier eine kleine Liste ohne Anspruch auf Vollständigkeit (wenn dir darin einer fehlt, schreib uns gerne!)

Periplaneta (Berlin)
Satyr (Berlin)
Lektora (Paderborn)
Blaulicht (Helmstedt)
Unsichtbar Verlag (Diedorf)
Reimheim

Juhuu ich habe ein Vertragsangebot bekommen!

Glückwunsch! Nachdem du deine Freunde auf eine Runde beim Späti eingeladen hast und die erste Euphorie vorbei ist, solltest du dir den Vertrag – und den Verlag – jetzt nochmal genauer anschauen (bevor du ihn unterschreibst!)
Vergleiche das Dokument mit dem Mustervertrag des Börsenvereins und lass jemanden rüberschauen, der*die sich damit auskennt – im Zweifelsfall deine Slam-Homies, die schon was veröffentlicht haben. Hinzu kommt die persönliche Ebene:

“Buch-Publishing-Verträge gelten länger als die meisten Ehen. In sofern ist es sinnvoll, sich vorher auch mal in echt zu sehen”,

sagt Periplaneta-Lektor Thomas Manegold. Deshalb scheue nicht die eventuell längere Anfahrt zu den Verlagsräumen – du willst ja keine Blind-Date-Ehe. Verbinde es mit einer kleinen Slamtour, um die Fahrtkosten wieder reinzuholen, und schau auf ein lockeres Gespräch vorbei. Niemand wird von dir verlangen, sofort zu unterschreiben, aber es hilft dir natürlich, wenn du den Vertrag vorher gut angesehen hast, um eventuelle Unklarheiten persönlich zu besprechen. Denn ein paar bittere Pillen wirst du auch da schlucken müssen, von Rechteübertragungen bis zu langen Laufzeiten. Das heißt nicht, dass der Verlag dir bei dem kleinsten Problem den Anwalt auf den Hals schickt – es ist ein Minimalkonsens, und bis der greift, ist wahrscheinlich schon einiges schief gelaufen.

Wie ein Ehevertrag also eigentlich. Oder die Wohnung in Berlin.


Blog-Autor und Kiezpoet Jesko Habert hat im Periplaneta-Verlag seine Slamtext-Sammlung “Märchen aus einer grausamen Welt” und den Roman “Tiefsommer”, veröffentlicht, sowie ein Kinderbuch im Kinderbuchverlag Willegoos.