Zurück zu: 3. Stilistik (Light)
Ein Herzschlag für deinen Text
Das Metrum hält deinen Text im Inneren zusammen.
Reisse das Publikum mit
Richtig guter Rhythmus
Inspiration für deinen Rhythmus
mit Reimen:
ohne Reime:
Klick dich selbst mal ein wenig durch Videos anderer Slampoets, die du online findest, und achte besonders auf die Verwendung von Rhythmus und Metrum.
Als gute Inspirationsquelle können aber z.B. auch Songs aus dem Hip Hop dienen. Im Rap spielt Metrum und Beat natürlich eine noch größere Rolle als beim Spoken Word.
Tricks und Kniffe
Ein stimmiges Metrum für deinen Text zu schaffen, braucht vor allem eins: Gefühl und Übung. Schreib eine Zeile, lies sie laut, überarbeite sie, bis der Rhythmus stimmt.
Ein paar Tricks haben wir dir hier nochmal zusammengestellt:
Wenn du dir unsicher bist: Zähl durch.
Im Zweifel kannst du betonte und unbetonte Silben einfach durchzählen. In zwei zusammenhängenden Zeilen sollte das die gleiche Anzahl sein.
Aber: Ausprobieren und (laut) lesen funktioniert meist besser als Zählen und Analysieren.
Mach dir Füllwörter zu Nutze.
Den Tipp kennst du noch vom Reimen: Ein- bis zweisilbige Füllwörter wie “ach”, “so”, “aber”, “oh” können dein Metrum sehr leicht anpassen, ohne den Inhalt zu verändern.
Lass die Grammatik in Ruhe.
Auch das haben wir schon beim Reimen gesagt: Verdrehe nicht die Satzstellung, Konjugationen oder Deklinationen zugunsten des Rhythmus. Besonders im Spoken Word stolpert dein Publikum nur über einen unnatürlichen Sprachfluss.
Schreib längere Zeilen.
Vor allem, wenn du noch unsicher im Umgang mit dem Metrum bist, kann der Rhythmus in längeren Zeilen “versteckt werden”. Solche Zeilen können auch natürlicher wirken und es fällt leichter, einen Reim noch “unterzukriegen”.
Schreib kürzere Zeilen.
Längere Zeilen können zwar einfacher sein, um mehr Inhalt unterzubringen. Kürzere, schnellere Zeilen erzeugen automatisch mehr Flow und Sprachfluss. (Denke an Skog Ogvann oben)
Wechsel den Rhythmus.
Im Gegensatz zu klassischen Gedichten geht es im Poetry Slam nicht darum, streng ein bestimmtes Versmaß einzuhalten. Zusammengehörende Zeilen sollten – wenn möglich – das gleiche Metrum haben, aber zwischen den Strophen und inhaltlichen Abschnitten kannst du durchaus den Rhythmus ändern. Das kann sogar besonders wirkungsvoll sein um Wichtiges hervorzuheben.
Übrigens: Auf der Bühne funktionieren Worte und Sätze immer anders als auf dem Papier. Sprich deshalb deinen Text unbedingt laut durch und übe das Vorlesen, bevor du damit auftrittst!
Du wirst sehen: Du kannst den Rhythmus unterstützen, indem du z. B. die Betonungen leicht anpasst, und das mit Performance überspielst – das hört sich viel besser an, als eine gebrochene Grammatik.
Probier dich aus
Jetzt kannst du überprüfen, was du gelernt hast:
Unten haben wir drei Hörbeispiele für dich. Der Inhalt ist bei allen gleich, nur am Metrum haben wir jedes Mal etwas verändert. Findest du die “echte” Zeile, wie Goethe sie vorgesehen hatte, mit dem stimmigen Metrum?
Ist dir auch aufgefallen, dass es eine Zeile gibt, in der das Metrum am besten passt?
In den anderen haben wir Wörter hinein geschummelt oder Betonungen verändert. Dadurch wirkt es holpriger und andere stilistische Schwächen treten stärker hervor.
Satzbau, Wortlängen & Pointen
Das Meiste, was du bisher über Metrum und Rhythmus gelernt hast, hat sich auf (eher) lyrische Texte bezogen. Aber es gibt auch Aspekte von Rhythmus und vor allem Tempo, die für Kurzgeschichten oder sogar Stand Up Comedy relevant sind.
Wörter & Sätze sind die Bausteine deines Textgebildes
Das mag wie selbstverständlich klingen. Aber mach dir einmal bewusst: Jedes deiner Worte ist Teil eines Satzes und die bilden deine Sprache, deinen Text und deinen Stil.
Der Satzbau kann deswegen den Eindruck und den Rhythmus eines Textes maßgeblich beeinflussen.
Schau dir einmal diese drei Beispiele an, in denen wir mehr oder weniger ähnlichen Inhalt in drei verschiedene Formen gebracht haben. Was fällt dir auf?
Beispiel 1:
Und dann sind wir irgendwann nach Hause gegangen. Erst sind wir U-Bahn gefahren. Dann mussten wir noch ein Stück laufen. Und dann waren wir irgendwann zu Hause.
Beispiel 2:
Und dann kamst du mit mir nach Hause. Du kamst einfach mit. Mit in die U-Bahn. Mit aus der U-Bahn. Mit mir die Straße runter und die Treppen rauf zu mir.
Beispiel 3:
Und dann Heimweg: U-Bahntunnel. Kippe überbrückt Wartezeit, dann Gedränge im Wagen. Wettrennen die Treppen rauf. Verschnaufen. Zuhause.
Rhythmische Effekte in Prosa-Texten
- Flow durch gezielte Wortwiederholungen, gleiche Satzanfänge & gleiche Satzstrukturen (Beispiel 2)
- aber: holpriges Hörerleben bei unnötigen Wortwiederholungen (Beispiel 1: “dann”)
- Eleganz und Verschlankung durch Präteritum (Beispiel 2)
- aber: Perfekt wirkt natürlicher
- Schnelligkeit & erlebbare Emotion durch kurze Sätze & Sätze ohne Verben
(Beispiel 3) - lyrische Komponente & “Jetzt”-Gefühl durch Hauptsatz-Ketten
- Nebensatzstrukturen wirken oft kunstvoller, erzählender
Probier dich aus: Texttempo
In Prosa-Texten kannst du viel Effekt über die Wort- und Satzlänge, die du wählst, erzeugen. Das hast du wahrscheinlich in den Beispielen oben schon gesehen, wir haben hier aber nochmal zwei neue Beispiele für dich:
kurze Sätze
Herbstlaubstimmung.
Draußen stürmt es leicht.
Kakao. Ofen. Du davor.
lange Sätze
Draußen stürmt es, dass die Bäume sich vor dem Fenster verneigen. Du klammerst dich an mir fest, damit du nicht fortwehst, und wirklich: Deine Haare fliegen vor dir her, als hätten sie es eiliger als du, dabei sind wir noch nicht einmal draußen. Sondern nur im Hausflur.
Kurze (Haupt-)Sätze, Sätze ohne Verben oder sogar Einwortsätze können sehr greifbar sein. Es wird viel Emotion erzeugt und die Fantasie des Publikums angeregt, da nicht alle Informationen da sind.
Lange Sätze hingegen können dein Publikum für einen längeren Zeitraum fesseln. Mit Nebensatzkonstruktionen und Kommata steigerst du die Spannung, bis du endlich – im wahrsten Sinne des Wortes – zum Punkt kommst.
In langen Sätzen kannst du auch viel mehr Inhalt vermitteln, dafür wirken sie manchmal weniger poetisch.
Jetzt haben wir nochmal eine Übung für dich, bevor du die Lektion mit dem Test abschließt:
Suche dir eine möglichst alltägliche Situation (z.B. Kaffeemachen am Morgen). Beschreibe diese Situation zweimal.
Im ersten Absatz darfst du keine Verben verwenden. Nutze kurze Sätze, du kannst auch lautmalerisch werden (z.B. “autsch”).
Beim zweiten Versuch schreibst du so detailgetreu wie möglich. Nutze jetzt lange Sätze und Verben.
Vergleiche beide Absätze miteinander: Wie unterscheiden sich die Texttempi? Welche Auswirkungen hat das aufs Leseerlebnis?