Slam Meisterschaften sind sehr vieles: Klassentreffen der Szene, Best-Of Events für Zuschauer, Visitenkarte von Poet*Innen. Davon abgesehen, dass es für sehr viele Zuschauer auch einfach ein großartiges, unterhaltsames Event ist, Landesmeisterschaften sind elementare Bestandteile des Systems, und wichtig für Newcomer, Profis und Moderator*innen. In den meisten Flächenländern wird, ganz wie bei den deutschsprachigen Meisterschaften, rotiert: jedes Jahr organisiert eine andere Stadt, ein anderes Slammaster-Team die Landesmeisterschaften, und alle Teilnehmer reisen für ein verlängertes Wochenende an. Die Zeit vor und nach den Shows, bei Aftershowpartys und in Hotels, beim ziellosen Schlendern durch die Stadt und beim Mittagessen, vernetzt die Szene des Bundeslandes und bildet neue Freundschaften: Ein wichtiger Grund, warum die “Slamily” in der Regel gut zusammenarbeitet. In Berlin-Brandenburg ist das ein bisschen anders: Weil wir a) keine Förderung kriegen und b) ohnehin großteils in Berlin leben oder ein BVG Ticket nach Hause haben.
So entfällt zwar das gemeinsame Hotel, aber trotzdem passiert drumherum eben doch viel Soziales bei einer solchen Meisterschaft. Und nicht zuletzt ist es auch ganz schön geil, im Finale vor über 1000 Zuschauern zu stehen. Dass es zu Bekanntheit beiträgt und bestenfalls einen Startplatz für die Nationals sichert, ist natürlich eine zusätzliche Motivation.
Wer organisiert Slam Meisterschaften eigentlich?
Der BB-Slam wird vom BB-Slam e.V. organisiert und veranstaltet – das ist ein sehr offener Verein, in dem Slam-Master*Innen aus Berlin und Brandenburg zusammenkommen, um die jährlichen Meisterschaften zu organisieren. Der Verein ist gemeinnützig, und alle Organisatorinnen und Poeten bekommen den gleichen Anteil aus den Einnahmen. Also, von dem was übrig bleibt, nach Raummiete, Technik, Personal, Werbung und so weiter. Aktuell sind neben uns Kiezpoeten auch einzelne Slammaster*innen (MCs) aus anderen Kollektiven darin aktiv – ob Edellauchs, Mikrokosmos oder auch ganz eigenständige MCs. Aber zu tun gibt es immer, und wir freuen uns über neue Unterstützerinnen aus der Szene.
Das Orga-Team plant zum Beispiel die Featured Poets und die Locations: Das sind in den letzten Jahren das SO36 in Kreuzberg, das Waschhaus in Potsdam und der Festsaal der UdK für’s Finale, ab 2019 kommt Cottbus als Austragungsort dazu. Und: Es entscheidet, welche Poetry Slams in diesem Jahr nominieren dürfen. Nicht willkürlich, natürlich. Entschieden wird nach Regelmäßigkeit und Alter der Veranstaltung (und damit der absoluten Anzahl an stattgefundenen Events). Das kann sich auch ändern: Ab 2019 gibt es aufgrund der gestiegenen Anzahl von Poetry Slams drei Vorrunden.
Diese Slams haben dann ein paar Monate Zeit, ihre Starter zu nominieren. Wie? Das entscheiden die jeweiligen MCs. Mancherorts gibt es einen Highlander – also ein Best-Of der letzten Saison, bei dem alle Gewinnerinnen gegeneinander antreten. Manchmal entscheidet die Häufigkeit der Teilnahme. Manche MCs schicken auch bewusst Neulinge, denen sie damit eine Chance bieten wollen, andere wählen lieber einen Profi, um sich bei der Meisterschaft vertreten zu lassen.
Das klingt unorganisiert und chaotisch, garantiert aber die Vielfalt einer Meisterschaft. Manche Arten von Texten hätten bei einem Highlander keine Chance – obwohl sie gut und wichtig für den Abend sind. Und manche Newcomer, die nur durch Glück und Zufall an einen Startplatz kamen, bewiesen auf der großen Bühne, dass sie der Aufgabe durchaus gewachsen waren.
Wie kommst du an einen Startplatz?
Die Nominierungsfrist der berechtigten Slams ist meist circa einen Monat vor der Slam Meisterschaft, manche Slams entscheiden sich aber schon weit früher. Gerade, wenn du eine*n Slammaster*in noch nicht so gut kennst, wird es oft als unhöflich angesehen, diese direkt zu fragen, ob sie dich schicken. Schließlich setzt du sie damit ein bisschen unter Druck. Eine Andeutung in einem Gespräch, dass du ja auch mal gerne dahin würdest, kommt da schon anders an – vermutlich werden dir die MCs in Frage dir auch gleich erklären, wie sie das bei sich handhaben. Dann kannst du entweder bei den Highlander-Slams versuchen, im Laufe des Jahres einen Slam zu gewinnen, um zum Highlander eingeladen zu werden.
Oder du zeigst Präsenz: Am Besten mit regelmäßig neuen, gut durchdachten Texten, so dass der/die jeweilige MC dich auch immer wieder gerne auf der Bühne hat. Wenn du spontan bist, hilft auch der regelmäßige Blick in die Facebook-Gruppe der Slampoet*innen in Berlin-Brandenburg: Manches mal springen bei einer Veranstaltung einer oder mehrere geplante Poeten ab, und die Veranstalter suchen dringend Leute, um den Startplatz zu füllen. So sammelst du Erfahrung – und an eine Retterin in der Not mit guter Performance denkt man als MC dann auch häufiger bei Nominierungen.
Wenn du dieses Jahr noch nicht dabei bist: Komm als Zuschauer*in vorbei! So weißt du schonmal, wie alles abläuft, und schmeißt dich bei deinem ersten Mal nicht ganz ins kalte Wasser.
Wie läuft die Landesmeisterschaft ab?
Wenn du von deinem Slam darüber informiert wurdest, dass er dich “schickt”, solltest du dir gleich alle Termine der Meisterschaft blocken. Die Auslosung, in welcher Vorrunde du startest, kommt dann circa einen Monat im Voraus – aber halte dir trotzdem die anderen Vorrunden-Termine frei, schließlich willst du doch die “Konkurrenz” auch in ihrer Vorrunde sehen (du hast natürlich freien Eintritt auch dort).
Jetzt hast du Zeit, deinen Text nochmal bei anderen Poetry Slams auszuprobieren. Um dich zu verbessern, an deiner Perfomance zu arbeiten und Sicherheit zu kriegen. Bestenfalls kannst du den Text dann auswendig, wenn du auf der Meisterschaftsbühne stehst. (Aber nimm ihn trotzdem bitte auf Papier mit, auch wenn er in der Hosentasche bleibt!)
Ein paar Tage bevor es losgeht, bekommst du dann eine Infomail, mit allem, was du über Uhrzeiten, Zeitlimits etc. wissen musst. Dieses Jahr zum Beispiel haben wir beim BB-Slam ein Zeitlimit von 6 Minuten, wobei nach 5:45 ein Lichtsignal gegeben wird, als kleine Hilfe. Du willst die 6 Minuten wirklich nicht erreichen – das versaut dir deinen Auftritt und den Spaß. Miss die Länge deiner Texte inklusive Anmoderation und Pausen (auch für Lacher) daher im Voraus! Dass der Text selbst geschrieben und ohne Requisiten vorgetragen werden muss, versteht sich von selbst.
Komm am Besten früh genug, um ein bisschen was vom Catering abzugreifen, mit den Anderen zu quatschen und die Nervosität zur Seite zu schieben. Bei der Textwahl bist du fast ganz frei – allerdings darfst du nicht die Texte wiederholen, die du letztes Jahr schon bei der Meisterschaft performt hast. Und jetzt: Hab Spaß auf der Bühne. Denn trotz aller Formalien: Bewertet wird mit Wertungstafeln einer zufälligen Publikumsjury. Das ist nicht immer fair, und nicht immer der beste Texte kommt weiter. Aber es sind immerhin unanzweifelbare Komma-Noten. Schließlich gehört auch viel Glück dazu, in welche Vorrunde und welche Gruppe du gelost wist: Bei neun Teilnehmer*innen in einer Vorrunde werden dieses Jahr drei Leute pro Gruppe sein – von denen eine*r ins Finale kommt. Die Frage, mit wem du in einer Gruppe bist, kann alles entscheiden. Also nimm es nicht zu hart, wenn es nicht klappt. The points are not the point.
Das Finale wird dann nach dem gleichen System abgehalten.
Ist das überall so?
Nein. Jede Landesmeisterschaft schafft ihre eigenen Regularien. Aber grundsätzlich kann man im deutschsprachigen Raum von einer ähnlichen Variante ausgehen – mit dem Hauptunterschied, dass es in den meisten anderen Bundesländern wechselnde Städte sind. Wenn du eine Verbindung zu einem anderen Bundesland hast und die Möglichkeit auf einen Startplatz: Probier es aus! Es gibt keine bessere Möglichkeit, die jeweilige Szene kennenzulernen. Aber: Die meisten Landesmeisterschaften haben die Regel, dass du in dieser Saison (nicht: Jahr!) nicht bereits bei einer anderen LM angetreten sein darfst. Meist gilt zudem die Regel, dass du entweder in dem jeweiligen Bundesland wohnen musst oder gebürtig dorther kommst, um nominiert werden zu dürfen.
Wie nominieren die Kiezpoeten?
Die Slams der Kiezpoeten unterliegen jeweils der Autorität ihres MCs. Entsprechend sind auch die Nominierungen unterschiedlich. Während der Kalleslam zum Beispiel einen Highlander abhält, sind inzwischen viele unserer nominierungsberechtigten Slams zu einem “weichen” System übergegangen – das sind, mit unterschiedlicher Gewichtung, vor allem folgende Kriterien:
- Repräsentanz: Wer “repräsentiert” den Slam und seine Prinzipien in diesem Jahr am Besten bzw. hat eine wichtige Verbindung zum Slam?
- Erfolg: Wer war über die Saison hinweg am erfolgreichsten (Finalisten, Gewinne)?
- Frequenz: Wer war besonders häufig bzw. regelmäßig da?
- Qualität: Wer hat sich besonders durch außergewöhnliche Kunst und Engagement ausgezeichnet?
…jetzt fiebern wir natürlich für ihr gutes Abschneiden und freuen uns auf ein paar spannende Tage!
Die Kiezpoeten tragen durch organisatorische Mitarbeit im BB-Slam e.V. dazu bei, dass die Berlin-Brandenburger Meisterschaften auch dieses Jahr erfolgreich abgehalten werden können. Das Finale 2017 moderierte Kiezpoet Jesko zusammen mit Volker Suhrmann, dem MC des “Slam in the Dark”. Januar 2019 findet die nächste Slam Meisterschaft in Berlin/Brandenburg statt, und natürlich sind wir wieder am Start – diesmal moderieren die Kiezpoeten Ortwin, Jopa und Samson in unterschiedlichen Vorrunden.
Foto-Credits: Sarah Bosetti